Reisen zu Fuß – Wandern, Bergsteigen, Expedition.
RAW Competence über die großen und kleinen Unterschiede beim Reisen zu Fuß.
Beim Besteigen eines steilen Felsgrates wird dem Einen oder Anderen bestimmt schwindlig, in der Kletterwand oder auf über 3.000 Meter Seehöhe. Als professionellem Bergführer wird mir schwindlig hinsichtlich der unterschiedlichen und oft verwirrenden Verwendung aller Begriffe, welche die (für mich) angenehmste und langsamste Fortbewegungsart des Menschen in den Bergen beschreiben sollen.
Vom Wandern bis zur Hochtour, vom Höhenbergsteigen bis zur Expedition, vom Hüttentrekking bis zur Mehrtagestour – diesen Begriffen, und allen dazwischen, liegt vordergründig ein und dieselbe Aktivität zu Grunde: das aufrechte Gehen.
Und alle damit beschriebenen Aktivitäten laufen im Endeffekt auf das Selbe hinaus, nämlich auf das Reisen zu Fuß. Denn auch der Auf- und Abstieg eines Berges kann für manch einen so lange dauern wie für jemanden anderen eine Reise um die ganze Welt. Gleichzeitig bedeutet einen Berg zu erklimmen und gesund wieder herunter zu kommen, gleich wie eine Reise um die Welt, immer auch eine Reise zu sich selbst.
Seit auf unzähligen Online Plattformen und Foren unzählige Touren- (und Reise-) Beschreibungen veröffentlicht werden, entsteht mehr und mehr Verwirrung hinsichtlich der Bedeutung der dafür verwendeten Wörter. Auch aus Ausschreibungen diverser Anbieter geht nicht immer klar hervor, worum genau es in einer bestimmten Tour geht. Dabei wird oft mit Begleitung durch Bergführer geworben, obwohl der Guide Bergwanderführer ist – und das ist ein GROSSER Unterschied!
Was aber sind nun wirklich die konkreten Unterschiede innerhalb einer vermeintlich so einfachen Bewegungsart?
Was macht Wandern aus, was macht Bergsteigen aus? Was bedeutet Reisen zu Fuß?
Ein Unterscheidungsmerkmal ist das Gehen auf ausgeschriebenen Wegen = Wandern, vom Gehen in weglosem Gelände = Bergsteigen. Dazu kommt die Ausgesetztheit des Weges bzw. die Gefahr eines Absturzes, die zur Unterscheidung dient. Hierbei wird z.B. in West-Österreich ein roter Punkt auf die Wegbeschilderung gesetzt, wenn die Absturzgefahr gering ist. Sobald über längere Stellen Absturzgefahr herrscht, ist ein schwarzer Punkt an der Wegbeschilderung angebracht.
Das Benützen eines oder beider Arme durch Abstützen oder Ergreifen von Fels/Haken/Stahlseil wirkt sich ebenso auf die Kategorisierung aus, genauso wie der Einsatz technischer Hilfsmittel.
Nicht zuletzt ist es die Höhenlage einer Tour, die über Bergsteigen, Hochtour oder Höhenbergsteigen entscheidet, denn das Zurücklegen von nur 50 Höhenmetern ist auf 2.000 Meter Seehöhe sehr anders als auf 8.000 Meter Seehöhe.
Reisen zu Fuß ist vielfältig und am ehesten mit dem Begriff Weitwandern beschrieben… dazu am Ende dieses Beitrags.
Im Folgenden der Versuch einer Beschreibung bzw. Definition der einzelnen Begriffe, mit dem ich KEINEN Anspruch auf Vollständigkeit erhebe.
Vorausgeschickt sei, dass bei den meisten Touren eine eindeutige Kategorisierung als eindeutige Wandertour oder als Bergtour gar nicht möglich ist, da eine Mischung aus mehreren Faktoren besteht.
Wandern
Eine Wanderung führt immer entlang bestehender und sicherer Wege. Aus Geh-technischer Sicht sind Wanderungen einfach und ohne technische Hilfsmittel (z.B. Seil) bestreitbar.
Wanderungen können konditionell anspruchsvoll sein, beispielsweise aufgrund der Länge, der zurück zu legenden Höhenmeter, steiler Stufen etc.
Ob die Markierung eines Wanderweges offensichtlich oder eher spärlich vorhanden ist, liegt an der Region bzw. deren Strategie hinsichtlich der Lenkung des Tourismus. Dabei gibt es je nach Region/Land/Kontinent SEHR große Unterschiede.
Übrigens: falls Du einen Guide engagieren möchtest, der Dir Vorschläge für die passende Wandertour macht, diese plant, auf Deine Wünsche abstimmt und mit Dir auch sicher durchführt, dann ist Barbara als Bergwanderführerin genau die richtige für Dich.
Bergwandern
ist ein von Tourismusregionen eingeführter Begriff, um Gehen im Flachland – was durchaus konditionell sehr anspruchsvoll sein kann! – vom Wandern in den Bergen zu unterschieden. Bereits an dieser Stelle gibt es eine Unklarheit, denn ab welcher Höhe ist ein Hügel ein Berg?
Bergsteigen
beginnt dort, wo Wandern aufhört. Dabei kommen wir gleich zu den Mischformen und Grauzonen: sobald während eines (markierten oder unmarkierten) Weges versicherte Stellen zu überwinden sind, wie zum Beispiel mittels Fixseil, welches zum Anhalten installiert über ein paar Meter Fels oder einen Abbruch hilft, verlässt man den Bereich des Wanderns und nähert sich dem Bergsteigen. Nun machen Länge oder Anzahl solcher versicherten Stellen den Unterschied in der Kategorisierung aus.
Ein weiteres Beispiel: ein Weg, der über einen Grat führt, links und rechts steile Flanken, und beim Begehen Absturzgefahr herrscht, fällt bereits in die Kategorie Bergsteigen, obwohl der Weg aus Geh-technischer Sicht vielleicht noch zu be“wandern“ ist.
Bergsteigen umfasst also sämtliche weiteren Arten von Bewegung im Gebirge: auf markierten Wegen mit vermehrter Absturzgefahr, in weglosem Gelände, auf Schnee, Eis, Fels, mit Hilfe der Hände und ohne, mit Zuhilfenahme technischer Hilfsmitteln, in allen Höhenlagen…
Alle weiteren Begriffe sind also „Unter“-Begriffe von „Bergsteigen“.
Berufsbezeichnungen
Für geführte Bergtouren, für die man bezahlt, kommen übrigens nur mehr Bergführer (=Berg- und Skiführer) in Frage. Diese können durch genug eigene Erfahrung plus fundierter und langwieriger Ausbildung die subjektiven und objektiven Gefahren im Gebirge richtig einschätzen und danach handeln. Sie sind außerdem dazu ausgebildet, technische Hilfsmittel richtig einzusetzen, auf alle Eventualitäten zu reagieren, und Dich auch im weglosen Gelände sicher ans Ziel zu führen.
Auch hier gibt es immer mehr Verwirrung: zuerst aufgrund der offiziellen Berufsbezeichnungen von Bergführer und Bergwanderführer, die für den Laien zum Verwechseln ähnlich sind. Außerdem wird von diversen Anbietern und Mitbewerbern zum Zwecke des Marketings oft das Zwischenwörtchen Berg-„wander“-Führer einfach weggelassen. Oder für viele anspruchsvolle Bergtouren gar ein Tourenführer eingesetzt, der einen Schnellsiedekurs eines alpinen Vereins genossen hat.
Auch im Bergsport gilt: es liegt am Konsumenten selbst, ob des vielfältigen Angebots genau zu differenzieren und gut auszuwählen, welchen Dienstleister er für seine Vorhaben in Anspruch nimmt.
Kraxeln
Beim Kraxeln nehmen wir eine oder beide Arme dazu, um uns am Fels abzustützen oder uns daran fest zu halten. Die Hauptlast des Körpers liegt beim Kraxeln immer in den Beinen und Füßen. Es sind keine technischen Hilfsmittel notwendig.
Klettern/Klettersteig
Hier sind, ganz klar, technische Hilfsmittel im Einsatz. Außerdem liegen Hauptlast und Körperschwerpunkt nicht mehr ausschließlich auf den Beinen.
Als Hochtour
bezeichnet man alle Bergtouren, die sich über der Gletschergrenze abspielen und Bewegung auf/über Eis, Schnee und Fels beinhalten.
Höhenbergsteigen
beginnt ab jener Seehöhe, ab welcher der Mensch höhenkrank werden kann. Erste Anzeichen von Höhenkrankheit werden von manchen Menschen bereits auf knapp unter 3.000 Meter wahrgenommen, stärkere Symptome die auch länger anhalten werden ab 3.000 Meter dokumentiert. Langfristige gesundheitliche Schäden können bei einem längeren Aufenthalt auf über 3.000 Meter Seehöhe ohne vorheriger Anpassung entstehen. Mittels gezielter Akklimatisation und Training ist die Anpassung der Organe an den geringeren Sauerstoffgehalt der Luft möglich.
Ein klassisches Beispiel ist der jährliche Skiurlaub, bei dem erste Anzeichen der Höhenkrankheit auftauchen. Ohne Training und aufgrund der begrenzten Urlaubszeit fahren die meisten Skiurlauber gleich am ersten Tag mit dem Lift auf 2.500 Meter oder ins Gletscherskigebiet auf über 3.000 Meter. Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen unter Tags, schlechter Schlaf in den ersten Nächten sind die Folge. Zusammen mit eventuellem Alkoholkonsum ergibt das eine besonders belastende Kombination. Zum Glück kommt man nach wenigen Stunden wieder ins Tal in gemäßigtere Höhen.
Ob es eine gezielte Anpassung braucht hängt vom individuellen Gesundheits- und Trainingszustand ab.
Trekking
Eine Trekking Tour ist gehtechnisch gesehen eine mehrere Tage dauernde Wanderung, die durch Gegenden mit geringer Infrastruktur führt, also z.B. von einem Berg zum nächsten oder entlang endlos scheinender Täler. Beim Trekking verpflegt man sich selbst und schleppt die dafür notwendige Ausrüstung täglich selber. Bei organisierten Trekkingtouren gibt es in der Regel Träger und Köche, die sich um die profanen Dinge kümmern, damit man selbst bei leichtem Gepäck nur mit Gehen und Genießen beschäftigt ist.
Wer in den Nordalpen eine Hüttentrekking Tour unternimmt, kann bei entsprechender Planung der Tagesetappen jeden Abend hervorragend bewirtschaftete Berghütten besuchen, um dort zu übernachten und zu essen.
Reisen zu Fuß
Zu Reisen bedeutet grundsätzlich, anders als beim Urlauben, ein Verlassen der Komfortzone. Beim Reisen bewegt man sich von einem Ort zum anderen und wechselt Unterkünfte. Nicht alles ist vorhersehbar und oft bekommt man etwas anderes als erwartet. Grundvoraussetzungen, um sich auf einer Reise wohl zu fühlen, sind eine offene Haltung, eine gewisse Flexibilität und der Wille sich den gegebenen Umständen anzupassen.
Über längere Strecken zu Fuß zu gehen hat traditionell einen religiösen Hintergrund, der heute bei vielen solcher Unternehmungen nicht mehr gilt. Naturgemäß wird aber jeder, der Weitwandern betreibt, mit einer gewissen Einkehr, Einsicht, Erkenntnis belohnt. Die Nähe zur Natur wirkt dabei verstärkend: wenn wir mehrere Tage hintereinander in den Bergen, in den Wäldern, unterwegs sind, werden wir früher oder später von der Natur beeindruckt. Sie wirkt beruhigend und wohltuend auf unsere Seele, und wir können Motivation, neue Kraft und Zuversicht schöpfen.
Zu Fuß zu Reisen ist eine besondere Art zu Reisen, nämlich die langsamste, direkteste und intensivste. Wir entkommen uns selbst dabei nicht, und die gewonnene Sensibilität bezüglich unseres eigenen Körpers erhöht auch unsere Wahrnehmungsfähigkeit außerhalb unserer eigenen Vorstellungswelt.
Auf unserer Webseite haben wir unser Angebot zwecks Übersichtlichkeit in die Kapitel Wandern-Trekking und Bergsteigen-Expedition-4000er eingeteilt, wobei wir uns auf den technischen Anspruch beziehen.