Gold Rush Route
100km kreuz und quer geht es auf Touren-Skiern von Atlin aus zur Grenze von Canada zu Alaska zum White Pass. Die Seen sind unter Eis gefroren, die Flüsse eingeschneit oder offen, und unsere größte Gefahr ist der „Over Flow“, das tückische, schwer einzuschätzende Wasser zwischen der Eisschicht und dem Schnee.
Atlin, Aa Tlein (großer Körper des Wassers), erstmals besiedelt durch Inland-Tlingit, entwickelte sich später in einen geschäftigen Goldgräberort. Um 1900 lebten bis zu 10.000 Menschen in und um die Stadt. Heute ist Atlin ein kleines Dorf mit ca. 200 Menschen, ruhig und immer noch am Ende einer Straße gelegen. Stille Zeitzeugen erinnern an damals. Die „Tarahne“, ein typischer Raddampfer aus Holz, mit dem man das Gold der Region durch das umliegende, weit verzweigte Fluss- und Seensystem in die Stadt transportierte, und einige noch erhaltene Holzhütten der Goldgräber liegen an den Ufern des Atlin Lakes.
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Das Wasser war die einzige Straße hierher. Man kam mit Dampfern aus aller Welt nach Skagway, dann ging´s über den White Pass nach Fraser und schließlich über Seen und Flüsse weit ins Landesinnere, um Gold zu finden; zu Fuß auf den 873m hohen White Pass, der die Grenze zwischen USA und Canada definiert. Passieren ließ man hier nur jene, welche mindestens eine knappe Tonne an Lebensmittel und Material mit sich führten. Aufgrund des Zustroms wurde während des Goldrauschs ein Weg für Pferdekutschen über den White Pass angelegt, der bald den Beinamen „Pfad der toten Pferde“ bekam: die harten Bedingungen im langen Winter zeigten den Bedarf an stärkeren Hilfsmitteln. 1898 gab´s bereits eine Schmalspurbahn.
Bei Eisaufbruch ging die Reise mit selbst gebauten Flößen und Booten weiter nach Norden bis nach Dawson (740km) oder eben Richtung Osten bis Atlin. Viele kehrten auf diesen strapaziösen Weg um, andere bezahlten dieses Wagnis mit dem Leben und nur ganz wenige wurden Reich.
Auf den Spuren der Goldgräber
Wir, Alex aus Ulm und ich wollen diese Route auf Tourenskiern zurückverfolgen. 100km kreuz und quer geht es von Atlin aus zur Grenze von Canada zu Alaska zum White Pass. Die Seen sind unter Eis gefroren, die Flüsse eingeschneit oder offen, und unsere größte Gefahr ist der „Over Flow“, das tückische, schwer einzuschätzende Wasser zwischen der Eisschicht und dem Schnee.
Um 6.00 Uhr Morgens stehen wir am Eis des Atlin Lake, von dem wir gerade mal 7km passieren. Wir müssen uns erst eingehen, keine Höhenmeter und kein Gipfel im Visier. Mir schwirren immer wieder die alten Geschichten durch den Kopf, ein ganzes Hundeschlitten Gespann soll hier irgendwo eingebrochenen sein, und – KRACK – ein lautes Krachen um mich herum holt mich aus den Gedanken und lässt mich immer schneller werden.
Am anderen Ufer des Atlin Lake angekommen folgen wir den alten Geleisen durch den Wald zum Tagish Lake bis zum Taku, eine alte Verbindungs-Station, wo sogar noch ein Eisenbahn-Wagen vor sich hin rostet.
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Um wieder in die richtige Richtung gehen zu können, müssen wir erst eine offene Wasserstelle großräumig umgehen. Als wir uns in Sicherheit fühlen bleiben wir stehen, genießen die Aussicht und die Ruhe in dieser Unendlichkeit um uns herum. Als ich Alex den Vorschlag zum Frühstück mache – KRACK – wir gehen doch lieber weiter, im Sicherheits-Abstand versteht sich!
Dieser Seitenarm des Tagish Lake ist über 30km lang, eine Stelle darin nennt sich „Golden Gate“ und genau vor dieser wurde ich ausdrücklich gewarnt: Vorsicht, dünnes Eis!!! Auch dieser Platz hält viele Geschichten aus der Goldgräberzeit bereit. Wir treffen jemanden, der hier Aufgewachsen ist und immer noch hier wohnt: Jimmy Brooks. Sein Holzhaus steht einsam am Südufer des Sees, mit einem kleinen Flugzeug davor. Nur wenige kommen in diese verlassene Gegend, und schon gar nicht aus eigener Kraft auf Skiern. So freut er sich über unseren Besuch und lässt sich bei Tee und Kuchen einige Anekdoten entlocken. Er kennt sich hier aus und gibt uns genauste Informationen um diese „Golden Gate (Bridge)“. Er nennt die Verunglückten sogar beim Namen und lässt uns nur ungern weitergehen.
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Unser erster Tag geht wunderschön weiter, das Orientieren ist leicht und wir machen Meter. Nach knapp 40km auf zugefrorenem Wasser erreichen wir mit trockenen Füßen das Ufer. Die letzten km haben wir überall „Over Flow“ zu umgehen. Zelt aufbauen, kochen und sich vor der Kälte verstecken ist jetzt angesagt.
Alex hat diese Nacht etwas gefroren, und um warm zu werden verschieben wir das Frühstück. Wir bauen das Zelt ab und gehen etwa 8km durch dichten Wald, etwa 100 Höhenmeter bergan zum nächsten „kleinen“ See, dem Fantail Lake (Länge 25 km). Die Wildnis hat uns aufgenommen, nichts außer ein paar spuren im Schnee – ein Luchs!
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Während ich die Ruhe genieße und so vor mich hin gehe, denke ich immer wieder an die alten Fotos aus der Goldgräberzeit, und es erscheint unglaublich: wie haben die das damals bloß geschafft? Alex erscheint nur mehr als kleiner Punkt am See – was er wohl denkt?
Am Ende des Fantail Lake queren wir einige Zuflüsse, und um ein Haar wäre ich in einem dieser gesteckt – Alex zieht mich aus dem Loch! Ab jetzt geht es durch den Wald, 15 km abwechselnd rauf, runder, unter Bäumen durch, einem Bächlein folgend. Die Richtung zu halten war hier die Kunst, bei schönem Wetter ja, aber bei schlecht Wetter… und wie haben die vor über 100 Jahren …?
An einer Lichtung wird Pause gemacht und Tee gekocht. Die Ruhe wird einzig durch das Surren des Wasserkochers gebrochen.
Wir gehen noch einige km weiter, raus aus dem Wald auf eine Hochebene (900m), wo das Zelt aufgestellt wird. Ca. 30 km Nord-Westlich von uns liegt der White Pass und der Grenzposten Fraser. In der Nacht beginnt es zu schneien, was gut ist, denn es ist nicht ganz so kalt.
Der dritte Tag beginnt gleich wie der zweite: Zelt abbauen, einen schluck Tee trinken und los. Das Wetter sieht nicht gut aus, und ehe wir uns versehen stehen wir im Schneesturm. Eine hügelige, mit kleinen Seen und Flüsschen durchzogene Ebene, die vor uns im Schneesturm liegt, wir sehen kaum etwas und aufrecht gehen ist bei diesen Bedingungen nicht einfach. Der Kompass ist meine einzige Orientierung. Als ich wegen einer Schlucht wieder einmal meine gedachte Linie nicht gehen kann und ein paar Meter zurückgehen muss, steht Alex vor mir und meint: „Bist du sicher, dass wir nicht im Kreis gehen?!“ Ich bin mir sicher, doch stünden wir 20 Meter vor einer Hütte, wir könnten sie nicht sehen. Also weiter, immer dem Kompass nach, es stürmt und schneit. Es kann nicht mehr weit sein, wo ist die Bahnlinie, wo die Grenze? Aus dem Nichts kommend fährt plötzlich ein riesiger Truck an uns vorbei, geräuschlos und ohne Vorwarnung. Genau 1km vor der Grenze stehen wir auf der Straße und suchen uns einen windgeschützten Platz. So schnell das Wetter da war so schnell ist es wieder sonnig und wir können einiger maßen gemütlich essen. An der Grenze angekommen, tauschen wir die Skier gegen ein Auto, und an der tief eingeschneiten Schlucht sieht man den einst so gefährlichen White Pass, den „Pfad der toten Pferde“ , der nach Skagway, Alaska, hinunter führt.